nachtwache. seetag IX Meine letzte Nachtwache auf dieser Überfahrt hat begonnen. Noch knapp 100 Meilen bis Neuseeland. Ihr sitzt noch einmal mit mir hier oben an Deck, im Cockpit. Frischer Wind. Regen. Und es ist mehr als zappenzappenduster, eher finster. Nicht ein einziger Stern ist zu sehen. Dafür erste Schiffsichtungen. Pünktlich zur Wachübernahme passierten wir in etwa zwei Meilen Entfernung die ‚African Oriole‘. — Es ist bereits das zweite Frachtschiff heute Abend. Michael hatte um 21:00 Uhr bereits die ‚Louise‘ vor sich. Das Phänomen „Schiff in Sicht“ schauten wir uns alle gemeinsam auf dem Radar und in live an. Naja, es ist das erste Schiff dass wir seit 7 Tagen sehen. — 00:58 Uhr. Die letzte Nacht habe ich mir irgendwie romantischer vorgestellt. Aber zumindest, und das ist schon sehr bedeutend, sind wir unter Segeln unterwegs. Wind von 10 Knoten, Fahrt über Grund 5,0 bis 5,5 Knoten. Ich werde euch die Tage mal noch eine Übersicht basteln, was genau die Knoten in Km/h bedeuten und Seemeilen in Kilometern. Für alle die, die das ein bisschen näher wissen möchten. — Rechts und links schlagen die Wellen, Regen prasselt über mir auf das Sprayhood (Cockpit Überdachung). Das wiederum könnte schon einen Hauch von Romantik darstellen. Vermutlich wenn es wärmer wäre. Oder wenn die Tatsache, dass unser Offshore-Segeln nun zu Ende geht, nicht wäre. Wir wussten dass wir etwa 10 Tage brauchen würden und Morgen ist Tag 10. Also läuft alles nach Plan, und doch ging es viel zu schnell. Schön dass es so ist. Es hätte ja auch anders sein können… — Bin froh, dass wir aktuell wieder allein auf weiter See sind. Nächtliche Schiffsbegegnungen sind aufregend. Positiv ist, dass man das mit der Lichterführung gleich live ein bisschen üben kann. Wann sieht man wo welche Lichter? Wie lang ist das Schiff? Und je nach dem was es ist kann man sogar das erkennen, so z.B. bei Fischerbooten. Und auch die anderen können auf Grund unserer Lichterführung erkennen ob wir Segeln oder aber ob wir Motoren. Das wiederum ist wichtig, um einordnen zu können, wer Vorfahrt hat. Wobei die Berufsschifffahrt für uns als Kleinfahrzeug immer Vorfahrt hat. — 03:16 Uhr. Die Nacht ist lang. Gefühlt die längste bisher. Mittlerweile hat der Regen gestoppt. Dennoch hängen die Wolken tief. Sieht mystisch aus. Und wir segeln fast lautlos dem Horizont, vielmehr einer riesigen Nebelwand, entgegen. Glücklicherweise bisher keine weiteren Schiffe weit und breit. War jetzt eine Stunde dabei, den Kurs immer wieder so anzupassen, dass wir die Geschwindigkeit halten können, ohne die Segel neu zu justieren, da hätten mir entgegenkommende Frachter ordentlich Überforderung gebracht. For sure. — Kurz vor Wachwechsel haben sich soeben noch vereinzelt ein paar Sterne durch die Wolkendecke gezeigt. Ist das nicht schön? Mich freuts richtig und jetzt bin ich durch für heute, es ist nach 04:00 Uhr. Im Osten wird es langsam hell, und ich liege nach unserer obligatorischen kurzen Lagebesprechung nun auf Koje. Wehmütig. Und demütig. Ein weiterer Abschnitt neigt sich dem Ende zu. Bin dankbar, dass ich das erleben darf. * Heute Abend um 21:00 Uhr in etwa werden wir in Opua einlaufen. Wir habe 9 Tage und 9 Stunden gebraucht um dort hin zu kommen. Nach Neuseeland. Durch Wind und Wellen. Den Weg haben wir uns erarbeitet und das gefühlt dort anzukommen wird sicher überwältigend sein. * Neuseeland. Freu mich auf dich. — Aber bei allen Abenteuern die an Land auf uns warten; Eins ist klar und will auch zum Abschluss dieser Wache um 04:23 Uhr noch gesagt sein: — keep. on. sailing.
nachtwache. seetag IX

so super awesome….. 🙂
⛵️💨⚓️❤️
Und wieder mal ein Genuss, deinen schönen Reisebericht hier früh morgens im ebenfalls kalten Deutschland zu lesen.
Kommt gut an im Neuseeland