ghetto. superstar.

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stadtleben.

Es ist soweit. Es gibt News aus Auckland. Seit ein paar Tagen liegen wir hier mit Larabeck in der Bayswater Marina. Gefühlt jedoch seit Wochen und es ist grad erst eine. Die Tage haben ihren Ablauf, die Arbeit läuft auch wieder in vollem Gange. Fast Alltag. Raum und Zeit verschwimmen ein wenig. Auf Grund der 12 Stunden Zeitverschiebung zu Deutschland haben wir die Tagespläne etwas angepasst, das funktioniert ganz gut, manches bleibt tagsüber auf der Strecke, aber das Leben braucht eben einfach seine Zeit.

Was das Wetter im frühlingshaften Neuseeland angeht: Letztes Wochenende hat es hier aus Eimern geschüttet. Und auch heute wieder gibt der Himmel alles. Dazu kommt Wind mit ordentlichen Böen und ein „Kälteeinbruch“. Wobei ich euch über die hiesigen Temperaturen nicht schreiben werde, die nach Kälteeinbruch herrschen. Das wäre fies.

Über den Steg spazierend lauschen wir den Klängen des Windes in den Masten. Überall pfeifft es. Definitiv erzählen sie uns was, diese schönen Schiffe der Welt, die hier in der Marina liegen und uns ist dabei völlig klar, dass auch sie wieder raus wollen auf hohe See. Sie heulen.

„Ein Schiff liegt sicher im Hafen, aber nicht dazu wurde es gebaut.“

work.

Gearbeitet wird bei uns entweder von Bord aus oder aber in der “Cruisers-Lounge”. Wir schlendern in der Früh um vier über unser Pier und checken in der Lounge ein, die für uns ein Coworking-Space mit Potential geworden ist. Draußen windets, die Fenster wackeln. Wir sind direkt am Wasser. Die Skyline funkelt mit ihren Millionen Lichtern, der Tag erwacht sanft, die Dämmerung setzt ein. Hafenarbeiter trudeln ein, Gelächter klingt durch die Scheibe. Am Fähranleger steht mittlerweile eine Menschenschlange und wartet darauf in die Stadt gebracht zu werden. Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir, dass auch die See draußen rauer wird.

Ja, aktuell sind und fühlen wir uns in Auckland “richtig” zu Hause. Irgendwie schon irre. Uns gefällt dieses Leben. Uns gefällt der Gedanke, weiter segeln zu gehen, die Welt zu bereisen und Häfen dieser Welt kennen zu lernen, Länder, Menschen, Kulturen zu entdecken und das moderne „Reise-Büro“ mitzunehmen. Uns gefällt der Gedanke, ein Segelschiff aus dem Hafen, und sicher über die Weltmeere zu bringen. Fehlt nur noch das Schiff. Aber wenn wir mal ehrlich sind, zwischen:

„We came by a boat“ und „we came buy a boat“

ist gar nicht so viel Unterschied, oder? Also setze ich dezent noch das u zwischen das b und das y und schon lassen wir das Universum arbeiten.

travel.

Einen Vorteil hätte es ja, ein Boot direkt hier zu erwerben: Es wäre schon im Südpazifik, der sich für uns super eignet um an unserer Segelerfahrung zu feilen. Im Anschluss könnten wir unser Schiff von hier nach Europa bringen, das ist die eher seltenere Variante, in diese Richtung, aber so wie ich das sehe, eine sehr spannende Route. Der ein oder andere von euch könnte eine Etappe mitsegeln, Crewleben schnuppern, Seemeilen sammeln, Eintauchen in eine andere Welt, eine neue Erfahrung machen, oder eine alte Leidenschaft aufleben lassen, Seemannschaft, leben, Traditionen lernen, mit Wind, Wellen, Wetter leben und dabei das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Etappen gäbe es viele und der Wind bringt uns der Heimat näher.

Stellt euch das mal vor, was für ein Gefühl das sein wird, wenn wir in Deutschland in einen Hafen einlaufen, nach dem wir übers weite Meer gekommen sind. Das muss doch ein Fest werden. Und dann reisen wir weiter – weil Kap Hoorn ja noch auf uns wartet! KAP HOORN. Erst vorgestern hörte ich von einem Paar, welches dieses Jahr um Kap Hoorn gesegelt ist. Sie segeln rund um Südamerika und dann erobern sie Nordamerika mit ihrem Schiff. Da schlug mein altes Seefahrerherz doch gleich wieder ein Stück höher. Also, der Plan steht. Nach dem Südpazifik heißt es, erst Europa, dann die Welt.

(Da sollte sich die EU mal ein Beispiel an uns nehmen!)

Wie dem auch sei, genug Politik. Und bevor es heißt, einmal Kap Hoorn und zurück, bitte, dürfen wir uns aktuell nämlich erstmal wieder an Land eingewöhnen. Und… auch schon ein bisschen auf die Rückreise vorbereiten. In zwei Wochen heißt es erstmal Abschied nehmen von Neuseeland. Und da das Boot noch auf uns wartet, kommen wir mit dem Flieger zurück.

Zur Eingewöhnung fahren wir also ab und an mit der Fähre rüber in die Stadt. Das ist lässig. Wir haben direkt am Hafen den Fähranleger, es braucht etwa 15 Minuten, dann spuckt uns der Katamaran auf der anderen Seite aus und wir stehen mitten im big. city. life.. Das wiederum fühlt sich völlig fern und fremd für mich an. Überall Menschen, feiernde Maßen, eine Bar voller als die andere, egal um welche Zeit. Weihnachtsfeiern, Junggesellenabschiede, Geburtstage, Rückkehrer von See, Jung und Alt. Es sind alle versammelt. Wir mitten drin.

Wir tauchen ein. Lassen uns von der Welle mitnehmen, die in diese Stadt flutet. Furchtbar. Und schön zugleich. Ist mir fast ein bisschen viel Energie auf einen Haufen, alles so schnell und so laut, aber ich lasse es zu und beobachte das wilde Treiben im Hafen und auf den Straßen. Ist ja auch schön irgendwie. Es scheint als atmet die Welt nach zwei Jahren Pause wieder auf. Ganz Auckland ist hier auf den Beinen. Jeder ist sich nah, Menschen gehen Arm in Arm, feiern Arm in Arm, singen, tanzen. Einer von hundert läuft mit Maske an uns vorbei. Von Abstandsregeln und  Ausnahmezuständen ist nichts zu sehen. Als sei nichts gewesen und als wäre doch alles so neu.

live. stream. main. stream.

Neu für uns ist auch die absolute Kameraüberwachung in dieser Stadt. Nahezu an jeder Ecke befinden sich mehrere Kameras, dazu freundliche Hinweise, dass man bitte lächeln soll, da man gefilmt wird. Immerhin. Heftig. Und… heftig. Man hat fast schon Angst, sich am Po zu kratzen, weil immer einer zuschaut. Es ist ein komisches Gefühl und ehrlich gesagt stehe ich diesem Thema eher kritisch gegenüber. Eine informative Zusammenfassung, warum das (nicht nur bei mir) so ist, und was für Fragen man sich so stellen kann, wenn man in die schwarzen Linsen blickt, die einen längst entdeckt und gecheckt haben, gibt es bei digital courage. Die Seite verlinke ich euch hier.

Die „Hauptstraße“ gleicht wie eben einer Hauptstraße der anderen Hauptstraße gleicht, nur vielleicht mit mehr Kameras, wobei sich die meisten Großstädte da mittlerweile richtig ins Zeug legen, alles schön im Blick zu haben. Egal wo. Ich habe neulich gelesen, in China kommt mittlerweile auf zwei Personen eine Kamera. Nicht zu kurz kommen aber auch London, Paris und Berlin. Wir befinden uns im Live-Stream. Und neben den Kameras, reihen sich die gleichen Läden aneinander, egal ob Fastfood-Kette, Kleiderladen, Bodyshops, Designer-Butzen. Überall die gleichen Lokale mit überall den gleichen Sachen. Ein Bild wie jedes andere. Leider findet man aber auch hier überall leerstehende Ladenlokale und an den anderen, die noch da sind, Aushänge, wie dringend nach Mitarbeitern gesucht wird. Einzelhändler, Franchise, Dienstleister, unsere Fähre (die auf Grund Personalmangel nicht planmäßig fährt und manchmal einfach gar nicht) sowie an Bussen & Co.

escape.

Fern ab vom Mainstream-Trubel haben wir dann aber etwas „außerhalb“ ein sehr nettes Viertel für uns in Erfahrung gebracht. Auf dem Weg dorthin begegnen uns Motorboot-Parkhäuser, vielmehr Hochregallager für Motorboote. Skateparks in denen Jugendliche ihr ganzes Können teilen, egal ob mit BMX, Board oder Skates, sie fliegen durch die Lüfte und auf die Schnauze. Beides mit einer beachtlichen Leichtigkeit, während wir aus dem Staunen nicht mehr rauskommen, über das eine, wie über das andere. Autsch.

Wir schlendern die steilen Straßen hoch, die uns aus dem tummeligen Hafenbezirk rausführen. Vorbei an weihnachtlich und winterlich geschmückten Häusern und Vorgärten. Surreal. Einige der Kreativen haben ihren Weihnachtsbaum mit Frühlings- oder Sommerblüten geschmückt, andere ihren kompletten Rasen im Vorgarten mit Weihnachtsbaumkugeln ausgelegt oder das gesamte Grundstück, inklusive des Pick-Up Trucks, mit Lametta-Girlanden eingezäunt. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Auch Palmen können Weihnachtsbäume sein. Mit Päckchen und vielen bunten Lichtern geschmückt. Der Gang dieser Straße entlang beweist: Merry Christmas. Frohe Weihnacht‘ überall. Und auch hier findet sich immer irgendwo einer, der einen dieser Weihnachtsmänner die Hauswand runterbaumeln lässt, und der dabei so einen traurigen Eindruck hinterlässt, als hätte er sich vor lauter Verzweiflung am Kamin erhängt.

ponsenby. – nice. to. see.

Wir erreichen Ponsenby. Hier schmücken die etwas individuelleren Läden die Straßen, kleinere Lokale, ein bisschen alternativ, ein bisschen Hip. Vieles made in New Zealand. Wir haben es gar nicht gesucht, es hat uns gefunden. Es ist ein bisschen gay und bunt und voller Vielfalt. Es gibt Burlesque, Travestie, Nightqueens- & kings, Menschen die ein bisschen Glitzer ins Leben bringen. Bunte Vögel sitzen am Tisch neben Businessleuten, die stolz ihren Lamborghini vor die Tür des Italieners betrachten und dabei ihre Pizza essen, während sie neben Nerds, Emos und Halbstarken sitzen, die das gleiche tun. Ein wild zusammengewürfelter Haufen voller Vielfalt und Freiheit. Musik dröhnt aus den Läden, Straßenmusiker spielen ihre Klänge in die Welt hinaus. Und dann sind da die beiden, vermutlich Homeless-People, mit einem Strahlen im Gesicht und einem Veilchen überm Auge, die mit ihrer kleinen Musikbox ein Lächeln auf unser Gesicht zaubern als wir „ihren“ Song hören:

„Ghetto superstar, that is what you are

Comin’ from afar reachin’ for the stars

Run away with me to another place

We can rely on each other, uh, uh

From one corner to another, uh, uh.”

Ein “gooday, how are you and have a nice day” verbindet unsere Momente. Sie fragen auch nach Coins, doch haben wir keine. Aber wir haben ein Baguette. Unser Brot teilen wir gerne mit den beiden. Sie freuen sich riesig darüber. Mit Ohrwurm im Kopf ziehen wir weiter, für heute reicht uns die Erkundungstour, es geht zurück zur Fähre. Vorbei an Läden, Menschen, Straßen, …Kameras.

Zurück zum Schiff. Zurück zu unserem ruhigen Plätzchen auf Zeit, unserem Liegeplatz G51. Schön, dass der Hafen auf der anderen Seite der Downtown liegt und es dort weder Spelunken, noch Bars, noch Clubs, noch irgendwas gibt. Die Zeit in der wilden Stadt ist Abenteuer genug für uns und gut, wenn wir immer nur recht kurz dort eintauchen. So bleibt ein Besuch in den Häfen der Welt irgendwie besonders.

Rein springen. Eintauchen. Treiben lassen. Auftauchen. Und wieder raus.

that’s. it.

Da wir unseren Neuseeland-Aufenthalt auf Grund der Kürze der Zeit auf Auckland und Umgebung begrenzen, werden wir sicher ab und an noch einmal in das Leben auf der anderen Seite der Bucht eintauchen, wer weiß, was uns da noch für Geschichten erwarten, was für Menschen uns begegnen, welche Eindrücke wir sammeln dürfen, während wir Meile für Meile durch die Stadt schlendern.

Nachts wirkt das alles ein bisschen spacig hier, dazu schon mal die ersten Eindrücke:

Ein schöner Space hier. Aber uns fehlt tatsächlich das offene Meer. Das Schaukeln und Schwanken. Die Nachtwachen. Das Segeln.

Aber auch unsere Freunde und Familien fehlen uns sehr, deshalb freuen wir uns nun auf das baldige Wiedersehen in Europa. Aye.

Dennoch bleibts dabei:

keep. on. sailing.

2 Replies to “ghetto. superstar.”

  1. Danke für die tollen Einblicke in euer nun wieder Landleben als auch die Phantasien für eine neue Lebensveränderung voller Zuversicht und Mut!!!!
    Ihr seit (wie immer) klasse

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