konstellationen.

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schreibtage. schweigtage.

Ich habe lange gehadert, ob ich euch mitnehme in diese Momente und euch das „alles“ wissen lasse, was ich euch hier so erzähle, wenn es nicht gerade um Schnorchelabenteuer mit Haifischen, Erfahrungen mit Kabawurzeltee oder eben das heutige Teilen der Mondfinsternis geht…

…Und dann erinnerte ich mich an dieses Bild von Charlie Mackesy, welches Jasmin mir vor einigen Tagen zeigte und das so ziemlich den Inhalt unseres Gesprächs wiedergab:

Charlie Mackesy – The Boy, The Mole, The Fox and The Horse

„Um ehrlich zu sein, habe ich oft das Gefühl, dass ich nichts Interessantes zu erzählen habe“ sagte der Fuchs. „Ehrlich zu sein ist immer interessant“ sagte das Pferd.

Zuerst schreibe ich euch daher ein paar Zeilen zu den letzten Tagen. Es waren keine Schreibtage. Es waren „Schweigtage“. Das tat ich auch an Bord so ziemlich. Mir war weder nach großen Gesprächen, noch nach großen Taten, ich habe aktuell mit einem heftigen Soulstorm zu kämpfen, der mir, im Vergleich zu den letzten Hightime-Weeks, einen richtigen Einbruch meiner seelischen Verfassung brachte. Oh ja und diese Tage (nein, es handelt sich nicht um die Menstruationstage) haben es in sich.

Das erzähle ich euch, damit ihr eine Vorstellung bekommt, dass es auch dazu gehört und dass es nichts ist, was ich hier verschweigen wollte, bei all dem grandiosen Abenteuer und diesem aufregenden Leben erleben dürfen. Ich schreibe es einfach, weil es eben das Leben, vielmehr mein Leben, ist und der Blog sich ja unter anderem eben genau damit beschäftigt. Sonst hätte ich sicher nicht mit „life to tell“ gestartet, damals, im September. Als mich und uns die Ereignisse des Sommers überrannten, mich sowohl beflügelten, als auch komplett aus der Bahn warfen und als wir dann gemeinsam entschieden, diese Herausforderung anzunehmen und wieder loszuziehen. In Bewegung zu bleiben. Also gehört das alles wohl ebenso dazu, wie die fulminanten Geschichten über unser (Crew-) Leben auf dem Segelschiff, der Larabeck, im südpazifischen Ozean, die Fijjis erkundend und nach Neuseeland reisend.

motivation.

Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber ich hatte in den letzten Tagen nicht mal die Muße, mein Date an Oberdeck wahrzunehmen. Es ging einfach nicht. Ich konnte mich nicht aufraffen, den Niedergang hochzukriechen und mich um kurz nach fünf in die Morgendämmerung zu setzen. That’s the really hard truth. Ich musste mir wirklich gut zureden, dass es genauso sein darf.

Es war zu schwer und ich ließ es zwei oder gar drei Tage lang bleiben. Heute habe ich jedoch wieder damit begonnen, es hatte die Nacht geregnet aus Eimern und gestürmt, was das Zeug hielt. Die Stimmung in der Früh war an Tragik fast nicht zu überbieten. Mich wehte es fast weg, als ich oben ankam, schlaftrunken suchte ich Osten und nach Sonnenstrahlen, fand jedoch dunkle, tiefhängende Wolken, es war düster, kühl und Regen kündigte sich erneut an. So entschied ich relativ schnell, mich doch wieder den Niedergang herunter zu begeben, der Tag da draußen kann auch heute noch auf mich warten.

Werde jetzt aber gar nicht so viel tiefer ins Detail gehen hier. Was es ist? Es sind vermutlich die ganz normalen Prozesse innerhalb meines Prozesses der -nennen wir es- „Seelenarbeit“ und „Psychohygiene“, um wieder richtig „gesund“ zu werden. Gesund in dem Sinne, da mich diese Traumastörung, die mir letztendlich den Burnout (alleine dieses Wort konnte ich lange Zeit fast so schlecht aussprechen, wie das Wort Lesbe, vor meinem Outing damals!) bescherte, echt ganz schön auf Trab hält. Mal mehr, mal weniger und aktuell eben wieder viel, viel mehr. Dieses „alles in Frage stellen“, „sich nicht richtig fühlen“ auf der Welt, dieses Zweifeln und struggeln, diese Ohnmacht, sich nicht konzentrieren zu können, dadurch nicht vorwärts zu kommen, und und und, das nervt mich manchmal ganz schön und ist so, so anstrengend und kräftezehrend. Ja, manchmal fällt es mir nicht leicht, es anzunehmen und einfach mal so sein zu lassen.

Aber wisst ihr was? Es gibt auch was wirklich Positives darin, diese „struggling times“ hier auf dem Segelboot, auf Reise zu erleben. Denn ich fühle mich hier sehr, sehr sicher und dieses Zurückgezogen sein, tut mir gut. Ich kämpfe mich immer wieder mit an Land, im Wissen darum, wenig später wieder an Bord sein zu können und ja, ich bringe mich auch in Gespräche ein, ich koche j e d e n Tag für uns, wohne dem gemeinsamen Essen bei, und ansonsten liege ich teilweise einfach nur da und halte es aus. Halte mich aus. Ich nehme Aufgaben (z.B. Segel setzen, fieren, dicht holen, packen), neben dem Kochen, dankend an, brauche aber für aktuell alles einen Tritt in den Hintern von mir selbst, um mich dann auch wirklich zu motivieren.

Und… ich darf hier grumpy und grinchy  sein, wie ich nur will – alles kann, nix muss, ohne Verurteilung und ohne Rechtfertigung. Das sind gute Konstellationen um voranzukommen. Mit mir, auf dieser Reise und vielleicht auch mit dem Schreiben. Also setze ich hier an und fülle meine text. up. your. life. Seite.

Schreibe darüber ein bisschen was, und ihr wisst dann ein bisschen, was so los sein kann in einem Leben. Davon gibt es Millionen. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte zu erzählen und sein eigenes Kreuz zu tragen und immer kann man auch der andere sein.

los. jetzt.

Am Dienstag gab es ein anderes Spektakel auf Grund einer ebenfalls großartigen Konstellation. Die Mondfinsternis. Darauf freute ich mich schon seit Wochen! So galt es, daran zu arbeiten, dass ich mich aufraffen werde und der Freude endlich wieder Raum gebe… auch wenn es dauerte und harte Arbeit war. Zuerst einmal entschieden wir, den Ankerplatz zu wechseln, da sich unsere Überfahrt nach Neuseeland etwas verzögert und uns an der bisherigen Stelle langsam der Anker quasi auf den Kopf fiel, wenn wir länger dort blieben. Dieser Ort langweilte uns mittlerweile zutiefst. Nicht nur mich, uns alle. Wir holten aber das Beste heraus, in dem wir die lange Ankerzeit dort nutzten um Montag mit dem Leihwagen Lebensmittel für die Überfahrt einzukaufen.

Ich hatte euch im vorigen Bericht ja geschrieben, dass es Aufgaben gibt, die einer lieber mag, als die andere… und einkaufen gehört innerhalb unserer Crew zu einer der Aufgaben, die wir a l l e nicht mögen. Gar nicht.

Also hielten wir auch hier zusammen und standen es gemeinsam durch. Und zwar richtig gut. Knatschig, aber gut. Den weiteren Tag verbrachten wir dann mit umwälzen und bunkern und abends mit einem Kinoabend. Jeder darf sich mal einen Film wünschen, und ich war an diesem einkaufgeschundenen Tag dran. Juhuuu. Die die mich kennen, wagen vielleicht eine Vermutung auszusprechen… Ja, genau, wir schauten Carol.

Doch, als Carol dann zu ihrem Roadtrip aufbrach, schliefen wir im Salon alle bereits tief und fest und Carol fuhr ohne uns los…. der Einkaufstag hatte uns alle mehr als geschafft.

Nun aber endlich Dienstag. Los geht’s. Bei richtig schönem Wind und hohen Wellen segelten wir mit knapp über 7 Knoten gen Norden zurück und suchten einen neuen, wieder sehr schönen, aber total andersartigen, Ankerplatz mit gutem Internet für die bevorstehenden PC- Arbeitstage. Und am Abend war es dann endlich soweit. Vollmond und die totale Mondfinsternis!

darkness. light. up. my. day.

Vorgestern also, am 08.11.2022, hatten wir die Möglichkeit, die totale Mondfinsternis zu beobachten. Zumindest wenn alles nach Plan verläuft und diesen hatten wir nicht so ganz selbst in der Hand.

Die Uhrzeiten des Spektakels hatten wir herausgesucht, wann was wie zu sehen ist. Mit den Daten gewappnet und mit einem sehr feinen Glas Weißwein, setzten wir uns nach dem Abendessen wieder gemeinsam ins Cockpit, schauten mit der tollen App nach, wo der Mond sich gerade befindet und wie die Laufbahn ist und… warteten genüsslich wie gemütlich die Zeit ab – 20:02 Uhr – es geht los und wir haben großes Glück, denn die Wolken, die sich  zuvor zuzogen, sind dank des Windes etwas weitergezogen und wir konnten den Mond in seiner (für unser Auge) vollen Pracht sehen. Was bitte war mit der Aussage „penumbral eclipse begins“ gemeint? Wir können hier nichts erkennen. Freuen uns aber generell über den Moment und darüber live dabei zu sein.

app sagt, hinter den wolken ist der mond bereits da!

Um 21 Uhr – zwei Stunden bevor die Mondfinsternis sich ereignen wird, war die Flasche Wein dann allerdings schon leer. Damn. Wir konnten auch von „partial eclipse begins“ nichts sehen, stellten aber unterschiedliche Vermutungen auf, was es vielleicht zu sehen gibt und brachen eine Grundsatzdiskussion vom Zaun, ob wir jetzt noch eine zweite Flasche Wein öffnen oder nicht – aber an so einem Abend und mit dem klaren Vorhaben zum „Blutmond“ gemeinsam anzustoßen, wäre das ja schon eine gute Sache.

Wir waren außerdem schwer damit beschäftigt, Stoßgebete ins Universum zu senden, dass die Wolken, die immer mal wieder aufzogen, bitte auch immer wieder weiterziehen. Vorsichtshalber und im guten Glauben an unsere Gebete, legten wir schon mal die Kameras bereit, ich wählte das Teleobjektiv, im Wissen darum, dass wir auf einem schaukelnden Schiff nicht ganz so großen Erfolg haben würden, wie bei festem Stand und samt Stativ, a b e r was soll’s denn? Keiner sagt, es müssten perfekte Bilder werden und vor allem freuen wir uns einfach über jedes, das was wird und wenn es nix wird? Dann war es ein Versuch wert. Wow. Sehr erkenntnisreich, oder?

mondschein. baden.

Larabeck bewegte und drehte sich hin und her, mal kam der Mast dazwischen, mal Wanten, mal ein Wackler, dann der Wein und mal waren wieder Wolken da. Und egal wie es war, wir waren einfach glücklich mit dem Moment und dem Wissen, was da gerade vor sich geht. Wir befinden uns an einem der Orte auf der Welt, von dem aus man dieses Ereignis überhaupt wird sehen können. Bis es soweit war, saßen wir an Oberdeck und badeten im Mondlicht, welches alles in ein so schönes und mysteriöses Licht tauchte. Wir hatten zwischendurch richtig Glück, denn die Wolkendecke tat sich immer wieder auf und gab den Blick auf Sterne, Sternschnuppen und eben diesen wunderschönen Mond frei. Schaut euch an, wie schön:

Kurz nach zehn konnten wir dann erkennen, wie sich die Erde zwischen Sonne und Mond schob und ihren Schatten warf. Das ging jetzt irgendwie doch alles schnell und die Wolken konnten sich auch nicht recht entscheiden, aber ich habe hier ein paar der Fotos rausgesucht, die den Blick auf den wunderschönen Vollmond und die entstehende Mondfinsternis zeigen. Auch wenn sie nicht perfekt sind, so machen sie mich doch recht happy. Sie sind aus der Hand raus fotografiert und ich bin noch ziemlich weit davon entfernt, die ganzen Einstellungen der Kamera überhaupt nur im Geringsten zu überreißen, und dafür ist es doch zumindest ein brauchbares Ergebnis, um dieses atemberaubende Ereignis mit euch zu teilen. Bis wir wieder einen Blutmond zu sehen bekommen, wird es noch ein wenig dauern, die Zeit nutze ich um noch ein bisschen zu üben, mit der Kamera.

Und zur kompletten Mondfinsternis, hatte es sich dann leider auch schon wieder ziemlich zugezogen und wir konnten weder Sterne noch Blutmond wirklich sichten, also ist das, was ich hier an Eindrücken mit euch teile, genau das was auch wir an Eindrücken erlebt haben:

Und nun schließe ich den heutigen Tag ab, mit einem Zitat von Oscar Wilde. Zufällig sprachen wir heute über ihn, ich weiß nicht mehr genau, in welchem Kontext, aber da trifft es sich ganz gut, ihn noch mit einzubringen. Irgendwie fühle ich mich ihm ein klein wenig verbunden.

 „Ein Träumer ist jemand, der seinen Weg im Mondlicht findet und die Morgendämmerung vor dem Rest der Welt sieht. “

-Oscar Wilde

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