respect. the. world.

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meeting. the. chief.

Ja, ja, ich weiß, gestern habe ich geschrieben, man bekäme mich nicht vom Boot, a b e r keine Ausnahme ohne Regel. Ähm, keine Regel ohne Ausnahme natürlich, denn dort wo wir jetzt vor Anker liegen, gibt es dieses kleine Dörfchen, mit diesen schönen bunten Häusern (sind übrigens mehr als 20) und die Tradition besagt, dass man dem Häuptling als Dankeschön dafür, dass man sich in seinem Gebiet aufhält, und sei es für kurze Zeit, ein Geschenk überbringt und sich dafür bedankt, dass man dort sein darf. Vor allem sollte man dies tun, wenn man eingeladen wird. Und in der Früh kamen zwei Jungs auf ihrem Motorboot angefahren und taten eben dies.

Wir hatten es zwar schon geplant (da wir ja bereits eine Nacht unmittelbar hier vor Anker lagen), aber so war es nun noch offizieller und der Einladung sollte man nachkommen. Es war also an der Zeit, sich dem Häuptling vorzustellen. Wenn er dich empfängt und du ihm respektvoll begegnest, stellt er dich unter seinen Schutz und du darfst die Gewässer zum Schwimmen, schnorcheln, tauchen, fischen oder auch den Strand für einen Spaziergang nutzen, ganz offiziell.

Nach dem Mittagessen, es gab Pasta mit einer Saucenkreation aus allem, was ich noch finden konnte (langsam gehen uns die frischen Lebensmittel aus, aber ein paar sind noch da), fuhren wir also mit dem Dinghy das kurze Stück rüber an Land und fragten uns zum Chief durch.

gift. to. give.

Bei dem Geschenk („sevusevu“) handelt es sich übrigens um Kava oder auch Rauschpfeffer. Aus den Wurzeln dieses Gewächses wird ein traditionelles Getränk zubereitet. Wir hatten bereits getrocknete Kava-Wurzeln besorgt und für genau einen solchen Moment an Bord verwahrt. Für mich kam dieser Moment schneller, als ich vorbereitet war. Kneifen gilt nicht. Soviel war mir klar. Auch wenn ich kurz mit dem Gedanken spielte. Aber da gehen wir jetzt gemeinsam hin und holen uns den Segen.

Noch mal zurück zur Wurzel: Diese gibt es überall auf und in den Märkten zu kaufen, in Unmengen. Außerdem kann man Kava bereits in Pulverform erwerben, dieses wird dann in kaltes oder warmes Wasser eingerührt und kann sofort getrunken werden. Die traditionelle Zeremonie der Zubereitung ist jedoch etwas aufwändiger.

Da ich es noch nicht probiert habe, kann ich euch noch nichts über den Geschmack berichten, aber kommt. Man sagt dem Getränk eine heilende Wirkung nach, wobei es hier sehr unterschiedliche Arten von Kava gibt und jede Wurzel so ein bisschen seine eigenen Geheimnisse hat. Ich werde es noch testen, angeblich wird die Zunge taub, die Lippen auch und man kann nach dem Verzehr sehr gut schlafen. Soll auch gegen Angstzustände helfen. Na, das werden wir mal sehen. Was das mit dem Schlafen angeht, das glaube ich sofort. Denn als wir im Dorf ankamen, lagen etliche der Menschen in oder vor ihren Häusern und waren dabei sehr, sehr entspannt. Vielleicht kamen wir unmittelbar nach der Kava-Time.

angekommen.

Auf der Insel angekommen, wurden wir sogleich begrüßt. Bula! Bula! Ein junger Mann kam aus seinem Haus und fragte, ob er uns helfen könne. Wir teilten ihm unser Anliegen mit und er zeigte uns die Richtung zur Hütte des Chiefs. Wir würden ihn dann schon finden.

Es ist komisch einfach so durch das Dorf zu stiefeln, hier ein Häuschen, da eine Hütte, alles auf Gras gebaut, vor mir ein paar Blumen, sie sehen aus wie Herbstzeitlose. Ob das welche sind? Ich weiß nicht, aber es sieht wirklich danach aus. Sie sind wunderschön, bin abgelenkt….

Reiße mich zusammen, wir haben eine Mission zu erfüllen. Also weiter gehen. Bin sehr gespannt und auch ehrfürchtig vor der Begegnung. Schaffe es leider nicht Fotos zu machen, die Aufregung ist zu groß vor dem, was mich erwartet. Habe schon erfahren, dass es teilweise Rituale gibt, die man dann mitmachen muss und in solchen Momenten denke ich immer, „Oh je, was wenn ich das nicht mitbekomme? Oder es verhaue?“. Es ist so ein bisschen wie die Anspannung, vor der Aufgabe in der Musikschule, diesen einen einzigen Ton, den man mit der Triangel abgeben muss, zur richtigen Zeit, zu treffen. Und wenn der Moment dann da ist… Kling. Verpasst man ihn!

Könnt ihr euch die Aufregung ungefähr vorstellen? So… wie dem auch sei, wird auf jeden Fall wieder eine spannende Erfahrung mehr im Buch des Lebens. Und wenn wir irgendwann mal wieder hier segeln, dann wissen wir schon was uns erwartet.

and. again. (keep. on. learning.)

Apropos Erfahrung, es gibt noch einige wirklich wichtige Dinge zu beachten, also aufgepasst, gibt wieder was zu lernen. Für alle die, die noch nicht auf den Fijis waren und für die, die vorhaben hier her zu kommen (gilt auch für andere Inseln im südpazifischen Raum, aber wir sind ja jetzt auf den Fijis):

  1. Wenn man den Stammesführer besucht, trägt man einen Rock. bzw. ein um die Hüfte gebundenes Tuch. Es muss die Knie bedecken. Das gilt auch für Männer, sollte keins vorhanden sein, so muss man fragen, ob man trotzdem eintreten darf.
  2. Man begegnet dem Häuptling ohne Hut, Cap oder sonstige Kopfbedeckung.
  3. Sonnenbrille ab.
  4. Schuhe bleiben vor der Tür.
  5. Bekommt man die Hand gereicht, schüttelt man sie.
  6. Wenn man gefragt wird, antwortet man.
  7. Niemals den Kopf von jemandem berühren. Auch nicht von Kindern. Von niemandem.
  8. Wird dir Kava angeboten. Trinken.

who. is. who.

Bei uns war es so, dass wir, nach dem wir uns zur richtigen Hütte durchgefragt hatten, von einem jungen Mann in Empfang genommen wurden. Es ist eine offene Hütte, der Boden ist mit Planen ausgelegt. Er setzt sich wieder, neben ihm sitzen noch weitere Personen, zwei Männer, eine Frau und ein Kind. Wir fragten, ob er der Chief sei. Er zeigte dann auf den älteren Herrn rechts neben sich: „No, he is the chief. Sit down please.“

Wir begrüßen alle Personen und setzen uns im Schneidersitz vor die Gruppe, tragen unser Anliegen vor, dass wir den Kava überreichen und uns bei ihm bedanken möchten. Der junge Mann, Amid, wie wir später erfahren, spricht mit dem älteren Herrn, der nickt. Dann fängt Amid an in die Hände zu klatschen, alle klatschen mit, auch wir, aber unterschiedlich – oh nein. Ich klatsche erst wie Amid, dann wie die Frau neben mir, da sie so irritiert auf meine Hände schaut, vermutlich muss man anders klatschen, nicht so wie der Häuptling, nicht so wie Amid, soviel stelle ich schon mal fest – ach herrje, aber woher soll man das auch wissen? Und wir verstehen ja auch nicht, was er währenddessen sagt. Es kann alles sein, aber es geht für uns jetzt nur ums Klatschen und es fühlt sich doch wieder an, wie in meiner sehr unerfolgreichen Triangelzeit früher. Irgendwie aus dem Takt geraten. 

„Okay he will receive you. Go!“

Bin etwas verwirrt. Was sollen wir denn jetzt tun? Wir sind ja schon da. Sitzen quasi direkt vor ihm.

Nun, zielstrebig steht Michael auf, geht zum Chief, schüttelt ihm die Hand, bedankt sich, richtet ein paar Worte an ihn, setzt sich wieder.

Amid schaut Jasmin an. „Next“

Jasmin steht auf, geht zu ihm, schüttelt ihm die Hand bedankt sich ebenfalls, setzt sich wieder.

Ich hoffe auf ein Wunder. Habe unter mir schon ein Loch gegraben, man dürfte mich eigentlich nicht mehr sehen… doch dann, Amid schaut mich an, ich schaue ihn an. Bin nicht unsichtbar… „You, next!“

Mein Herz hat aufgehört zu schlagen. Ich stehe auf, gehe zu ihm, schüttele dem Chief die Hand, bedanke mich leise, drehe mich um, setze mich wieder. Oh nein, mein Knie schaut raus, wie unangenehm. Irgendwie wieder einpacken. Wenn ich nur nicht auf dem Tuch sitzen würde…muss es unter mir hervorzuppeln, oh man, echt.

Puh. Alles wieder eingepackt. Geschafft!

Nun sitzen wir alle da. Schauen uns an. Muss sagen, die Stimmung in dieser Hütte ist wirklich voller Kraft und Ehrfurcht irgendwie. Man spürt schon, dass der Stammesführer anwesend ist. Und ich wünschte mir, irgendwer würde diese Stille jetzt brechen.

small. talk.

Endlich. Ich glaube es ist Michael der nach den Namen fragt. Wir stellen einander vor. Mit Namen. Kurz wer wir so sind, was wir so machen. Jetzt erfahren wir auch, dass der Chief Ben heißt. Amid ist sein Neffe. Der spielt gerne Rugby und freut sich, dass es jetzt Internet auf der Insel gibt. So kann er dann auch die Rugby Games in Neuseeland verfolgen. Grundsätzlich ist es gut, jetzt verbunden zu sein, sagt er, er weiß aber sehr wohl auch, dass es Fluch und Segen zu gleich ist, denn auch das lässt er uns wissen.

Wir sprechen über die Schule vor Ort, über seine Besuche auf der Hauptinsel einmal im Monat, über unsere Zeit hier, über die Homestays und er bietet uns an, noch eine kleine Führung durchs Dorf  zu machen. Prima, nehmen wir an. Wir verabschieden uns vom Häuptling und der Runde und tingeln Amid hinterher.

Alle an denen wir vorbei laufen sind sehr, sehr freundlich. Winken und grüßen. Teilweise ein kurzer Talk – wie geht’s, schönen Tag und so. Die Kids sind total gespannt und kommen uns  hinterher. Bula! Bula! Einfach süß, die Kleinen.

Wir besuchen die Dorfschule, dort scheint gerade Schulschluss zu sein. Michael fragt, ob wir Fotos machen dürfen „yes, of course“ und Amid ruft die Kids zusammen, die sich alle samt um uns herum versammeln und sich ebenfalls über das Fotoshooting freuen. Sie fassen Jasmin und mich an Schultern und Armen an, ziehen an uns, nehmen uns regelrecht ein und Knips, hier ein Schnappschuss:

back to school. (foto: michael graf)

bye. for. now.

Nach einer kleinen Tour durchs Dorf, verabschieden wir uns von Amid und gehen wieder zurück zu unserem Dinghy. Auf dem Weg dorthin schaue ich mich verstohlen noch ein bisschen um. Die Häuser sind fast alle offen, und in jedem liegt quasi ein Mensch in der Tür. Das ist ein sehr ungewöhnlicher Anblick und so intim irgendwie. Einfach mal grüßen. Bula! Und es kommt immer ein freundliches Lächeln, ein Winken und ein Bula! zurück. Vor einigen Häusern wird Wäsche gemacht, vor anderen der Fischfang betrachtet. Alles ist im Fluss. Hier läuft ein Hund, da eine Henne. Kinder spielen. Im Grunde eine sehr entspannte Atmosphäre.

Beim Blick aufs Wasser frage ich mich, wie die Menschen vor Ort diesen wohl wahrnehmen, die diese Aussicht jeden Tag haben und was in ihnen vorgeht. Was sie bewegt. Was sie denken, auch darüber, wenn wir da einfach so rumstiefeln und gucken wie Autos, denn ich glaube nicht, dass wir es schaffen, anders zu gucken.

Ich habe nicht gefragt, sie haben nichts gesagt. Es bleibt vorerst ein Geheimnis.

Mit des Häuptlings Segen fühlt es sich gleich noch besser an hier zu sein und vor Anker zu liegen. Jetzt könnten wir doch wirklich bleiben, oder? Zuerst heißt es aber auf die nächste kleine Insel zu fahren, muss mich von der Aufregung erholen. Diese ist unbewohnt, man braucht etwa 100 Schritte von vorn nach hinten und vielleicht 1000 von rechts nach links, dann hat man sie abgewandert (hab ich aber nicht). Dort geht dann jeder von uns so seinen Gedanken nach und erholt sich von diesem Abenteuer (also ich zumindest, ich fand das schon sehr abenteuerlich und brauche eine Pause).

Der warme Sand bietet mir dafür ein erholsames Plätzchen. Schweigend schaue ich in die Ferne. Ich kann noch immer, immer, immer nicht glauben, dass ich hier bin und einen Chief getroffen habe.

Kneif mich mal einer!


2 Replies to “respect. the. world.”

    1. Danke Geli,

      so schön dein Feedback zu erhalten. Da macht man doch gleich doppelt gern weiter und teilt das Erlebte.

      Umarmung von der anderen Seite der Welt.

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