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beständigkeit.
„Verwandlung ist nicht Lüge.“ Hat Rilke gesagt und ich denke, er hat recht. Allerdings wird, vor allem gesellschaftlich, häufig versucht uns vom Gegenteil zu überzeugen.
Vorne weg. Verwandlung ist doch alles andere als unbeständig. Wenn man es genau nimmt besteht eine enorme Beständigkeit darin, ständig in Bewegung zu bleiben. So lange an Stellschrauben zu drehen, bis es sich gut anfühlt. Und auch wieder zu ändern, wenn es sich nicht mehr gut anfühlt. Ich meine ja nicht mit jedem Hauch oder jeder Unbequemlichkeit sofort die Richtung zu ändern, ein bisschen Durchhaltevermögen gehört schon auch dazu. Wobei ein Jeder für sich selbst entscheiden muss und darf, wieviel aushalten, wieviel durchhalten ist gut und wann fühlt sich etwas überhaupt noch nach der richtigen Richtung an, wann jedoch nach der verkehrten?
Dafür sind wir ja irgendwie auch Menschen. Individuen, aus Fleisch und Blut, mit Gefühlen so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Für den einen mag eine Erfüllung etwas sein, was für einen anderen der absolute Horror wäre. Und das ist doch vollkommen ok, sollte ok sein. Wie schrecklich wäre es, wenn wir alle gleich wären? Es wäre nur schön, wenn es uns viel leichter fiele, alle auch genauso sein zu lassen wie sie sind. Insbesondere sich selbst und ich befürchte, das ist manchmal die schwierigste Aufgabe.
Zu denen, die immer schon wussten wie ihr Leben aussehen soll und bei denen immer alles nach Plan läuft, die die ‚einfach‘ machen, oder sich auch einfach nehmen, das schreibe ich ganz ohne Wertung, gesellen sich auch die, die gar nicht genau wissen, worin deren Erfüllung oder Aufgabe liegt. Die, die ihr Potential nicht sehen können, oder nicht fühlen, was in ihnen steckt. Das wiederum kann aus verschiedensten Gründen der Fall sein und ist für die Betroffenen oft selbst auch nicht leichter zu verstehen und anzunehmen, als für das Umfeld.
Aber, mal ganz ehrlich, ist es dann nicht besser, in Bewegung zu bleiben und ihr, der Veränderung, mit offenen Augen, Armen und Herzen entgegenzutreten als in einem quasi fast tödlichem Stillstand aus Unzufriedenheit und Langeweile, aus Verzweiflung und dem Gefühl nicht richtig zu sein, zu verharren?
oberdeck. die. erste.
Heute früh sitze ich um kurz nach fünf also mal wieder an Oberdeck und genieße den anbrechenden Morgen, den Sonnenaufgang und denke über die Veränderung in meinem Leben nach. Und meine “Verwandlung”.
Wir liegen hier wieder etwas abgelegen vor Anker. Es ist wunderschön. Gute Energie. Schöner Spot. Auf dem Weg hierher besuchten wir das kleine Eiland aus dem Film „cast away – Verschollen“, mit Tom Hanks als Chuck Noland. Ich habe mich noch mal in die Story des Films eingelesen und mir dann vorgestellt, wie das wohl so ist, wenn jemand wirklich vier Jahre lang hier strandet. Und vor allem, wie es dann wohl nach Rückkehr in die große Stadt sein mag.
Unvorstellbar. Aus vielerlei Gründen. Und zwar beides. Erstens, gestrandet allein hier zu überleben und leben und zweitens, wenn man das schafft, wieder zurück zu gehen in die Stadt. Unter Menschen, in all den Lärm, die Eindrücke, die Erwartungen.
survivor.
Grundsätzlich glaube ich, bin ich schon eher eremitisch veranlagt. Witzigerweise sind wir das wohl alle drei – ich vielleicht noch ein klein bisschen mehr, aber wir haben definitv schon festgestellt, dass wir alle drei am zufriedensten sind, wenn keine Boote und keine Menschen um uns herum sind, an unseren Ankerplätzen. Kommt ein Schiff an, grummeln wir dann schon mal ein bisschen rum. Wir haben gerne unsere Ruhe. Aber ganz allein auf so einer Insel zu stranden und dort dann zu leben, das wäre mir dann doch schon eine Nummer zu hart. Also bin ich nur halber Eremit. Das muss ich ehrlich gestehen.
Zurück zum Film. Gestern haben wir auf der nahegelegenen und unbewohnten Insel eine Kokosnuss geknackt. Klingt jetzt erstmal unspektakulär. Dafür benötigten wir eine Axt (und waren in der Tat noch mit anderem Werkzeug ausgerüstet, sicher ist sicher) und Durchhaltevermögen, bis wir die Nuss schlussendlich freigelegt hatten. So viel dazu. Ich meine, hätte Chuck im Film keinen Schlittschuh gehabt, der in irgendeinem der gestrandeten Koffer war, ich frage mich wirklich, ob er das alles so geschafft hätte, was ihm durch diesen Schlittschuh schlussendlich ermöglicht wurde.
Ja, und dann wollte ich eine zweite Nuss vom Baum holen, aber da scheiterte ich kläglich. Keine Chance. Mal im Ernst, wäre ich wirklich vor dem vollbehangenen Baum verhungert? Oder einfach mutiger gewesen, ginge es um Leben und Tod? Dann wäre ich vermutlich auf den Baum geklettert, aber die Palme war mir dafür definitiv ne Nummer zu hoch.
Eine Nuss hatten wir ja, und wir haben es geschafft, sie zu knacken. Haben das Kokoswasser gemeinsam geschlürft und uns der Nuss gewidmet. Jedes Stück des Kokosfleischs war ein Festmahl. Das hat uns alle sehr glücklich gemacht. Fühlte sich schon so ein bisschen nach Überlebenstraining Teil xyz an, wenn ich ehrlich bin, aber unter nicht all zu harten Bedingungen.
Glücklich über die geknackte Nuss, bewunderten wir gemeinsam den Sonnenuntergang von diesem einsamen Strand der verlorenen Insel aus. Die Farben waren gestern wieder atemberaubend, ich hab es fast nicht aushalten können.
Zurück auf dem Schiff saßen wir dann bis spät in die Nacht, nämlich bis nach Sailors Midnight = 20:30 Uhr gemeinsam im Cockpit. Haben gesessen, geredet, geschwiegen, gelauscht. Um 21:00 Uhr war dann aber auch höchste Kojenzeit. Ich kann euch sagen, es fühlt sich immer an, als wäre es richtig, richtig spät. Die Tage sind anders lang. Die viele frische Luft, das Segel setzen, Wenden und Halsen, die Aufgaben an Oberdeck und unter Deck. Kochen, die Crew versorgen, neues Lernen, das Denken und sich ablenken. Das alles tut gut, macht aber auch so müde.
oberdeck. die. zweite.
Faden verloren. Also ich sitze an Oberdeck und schaue in die Ferne. Die Sonne geht auf. Ich freue mich wieder über meine Erkenntnis, dass sie mir Mut schenken, diese Sonnenaufgänge. Und genau dieses Gefühl überkommt mich auch heute wieder. Und dann eben die Frage, wegen der Verwandlung und der Lüge.
Die, die mich ein bisschen (besser) kennen wissen, dass ich oder auch wir, viel ausprobieren und Stellschrauben auch mal bis zum Durchdrehen strapazieren. Wir haben wilde Ideen, manchen geben wir sofort Raum. Anderen wiederum nicht und irgendwann sind wir froh darum, gewartet zu haben. Für wiederum andere ist der Zug dann vorerst abgefahren. Oder dann eben genau die richtige Zeit. Gehört dazu. So ist das mit dem Leben. Man lebt es vorwärts und versteht es rückwärts.
In unseren Träumen sind wir schon auf abgelegene Alphütten gezogen, in Bauernhöfe auf denen wir uns selbst versorgen konnten, in eine Stadtwohnung mitten in Paris um dann Französisch zu lernen, mit unserem alten Allrad-Camper, den wir einige Jahre hatten, sind wir in unseren Träumen quer durch Europa und Asien getourt und haben uns dann doch Jahr für Jahr gemütlich in Südfrankreich wieder gefunden, weil wir es dort immer so gut hatten und dieses Plätzchen Erde eine unheimliche Anziehungskraft auf uns ausübt. Die Wüste hat unser Mobil mit uns zusammen nie gesehen, auch nicht den entlegenen Norden, aber wir hatten eine traumhaft schöne Zeit, nur eben ganz anders als erwartet und dann haben wir den Camper wieder verkauft.
Völlig unerwartet erkundeten wir die wilde Walachei mit unserem 30 Jahre alten Volvo-Kombi , das Hinterland, haben dort im Vorgarten eines Bauern, Kostica, übernachtet, der uns auf dieser schönen Anhöhe begegnete, als wir nach dem Weg fragten und mit dem wir uns mit Händen und Füssen so gut verständigten, dass wir blieben. Wir haben mit ihm am Lagerfeuer gesessen und gegessen, tagsüber die Gegend zu Fuss erkundet, Laub gerecht, viel Laub, und dann sind wir wieder abgereist.
Das Herz von Eindrücken voll.
Dann haben wir fast sechs Monate im ebenfalls wilden Paraguay gelebt, obwohl wir eigentlich mehrere Länder Südamerikas bereisen wollten, doch die Familie, in die wir dort nach einiger Zeit gepurzelt sind, hat uns, wie Südfrankreich, auch in ihren Bann gezogen. Wir haben dort ein Einheimischen-Leben geführt, Spanisch gelernt und ein bisschen Guaraní., die indigene Sprache. Ich habe paraguayisch mitgekocht und der Familie beigebracht, wie man Pizzateig selbst zubereitet, Bolognesesauce kocht und Apfelpfannküchlein macht. Dort habe ich, haben wir, viel gelernt und ich definitiv auch meine Grenzen neu gesetzt. Eine dieser neuen Grenzen hat ermöglicht, dass wir jetzt wieder auf Reise sind. Und zwar unter Segeln und noch immer ertappe ich mich dabei, dass ich es einfach nicht glauben kann.
Was wollte ich jetzt aber eigentlich sagen, mit dem Oberdeck, dem Sonnenaufgang?
oberdeck. die. dritte.
Na ja, an diesem Dienstagmorgen und nicht erst heute, aber heute besonders, habe ich mich gefragt, warum man woanders wohnen sollte, als auf einem Segelschiff? Es ist so tief erfüllend. Diese Bewegungen, dieses Plätschern, das unmittelbare Gefühl von Wind und Wellen, die Kraft der Natur, die Möglichkeit sich nur mit dem Wind fortzubewegen. Zu spüren was es heißt, dass der gerade Weg eben nicht immer der zielführende ist. Man lernt, die Segel richtig zu setzen, dass man Umwege in Kauf nehmen darf, um anzukommen und dass das Leben eben seine Zeit braucht.
Seine Zeit um anzukommen. Seine Zeit für eben alles.
Diese landmüdigkeit, von der ich euch schrieb, die mich im Frühjahr so heftig und unerwartet erfasst hat, kann ich hier immer mehr und mehr nachvollziehen. Ich spüre regelrecht, dass es, zumindest für j e t z t, das absolut Richtige war, sich der See mal wieder etwas intensiver zu widmen und genauer hin zu fühlen.
Die Tage an Bord sind erfüllt. Es gibt immer was zu tun, sei es vor Anker liegend oder natürlich segelnd. Der Alltag will gut organisiert sein. Essen ist wichtig. Aufräumen. Dann darf hier mal etwas repariert werden oder da optimiert. Das Unterwasserschiff darf gereinigt werden, das geht hier im warmen Wasser natürlich hervorragend. Holzarbeiten sind zu tun, Rost darf auch noch entfernt werden. Salzwasser frisst ganz schön.
Aber auch Leinen werden ersetzt und nicht zuletzt sind wir immer noch damit beschäftigt, uns das alles einzuprägen, mit der Technik etc. Es ist sehr erfüllend und läuft alles in einer anderen Zeitrechnung ab. Weil eben alles seine Zeit braucht.
Dann haben wir alle jeweils unsere Arbeiten am PC zu erledigen. Wenn gutes Internet ist, arbeiten wir mehr online, wenn weniger gutes Internet ist, verbringen wir die Zeit eher mit anderen Dingen, wie oben beschrieben (oder schnorcheln, oder bestaunen Haie, so wie heute, es waren sicher sechs Stück, die die ganze Zeit um unser Schiff herum schwammen). Es darf eben wirklich alles gut organisiert sein, hier auf dem Schiff, hier in teils abgelegenen Gegenden und einige Dinge lernt man ganz anders hinzunehmen.
Auch kleine nächtliche Einsätze an Oberdeck, wenn Sturm aufkommt und z.B. die Genua Schoten festgemacht werden sollten, damit sie sich nicht öffnen kann, wenn der Sturm reinfegt, wenn etwas klappert und gefixt werden sollte, oder auch dass die Position gecheckt wird, ob der Anker hält. Wenn ein plötzlich aufkommender Regen schnelles Handeln erfordert um Luken dicht zu machen oder um die Wäsche noch schnell reinzuholen. Manchmal treffen wir uns alle bei einer dieser Aufgaben, mal macht einer von uns alles und gibt kurz Info. Keiner grummelt, es ist vollkommen normal und gehört dazu. Und in vielen Dingen ist Routine extrem wichtig und vereinfacht das Bordleben enorm. So z.B. das „klar Deck“ machen nach dem Segeln. Die Leinen aufschießen, alles an seinen Platz bringen und zwar, bevor irgendwas anderes gemacht wird. An so nächtlichen Deckgängen ist es äußerst sinnvoll, Stolperfallen zu vermeiden und dabei hilft „klar Deck“ definitiv ungemein.
fazit. vom. oberdeck.
Routine ist wichtig und Bewegung auch. Umwege in Kauf nehmen um ans Ziel zu kommen ebenfalls. Und die Umwege als Chance zu sehen und das Schöne mitzunehmen, das lernt man ebenfalls auf See – unter Segeln. Aktuell könnte ich mir keinen besseren Platz vorstellen, als an Bord dieses Schiffes zu sein und all diese Erfahrungen zu machen und mitzunehmen. Jetzt sind wir „Seefahrer auf Zeit“ – wer weiß schon, was das Leben noch für Überraschungen bereithält. Und, auch wenn ich manchmal so unfassbar ungeduldig und ängstlich bin, was die Zukunft angeht, so möchte ich jetzt in diesem Augenblick genau das tun, was ich hier tue. Auf See sein, Kochen, Denken, Schreiben, all das Neue hier lernen, Sein. Und der Zukunft gespannt entgegen sehen.
Weil Verwandlung nicht Lüge ist. Sondern Wahrheit.
Kokusnüsse, Haie, warmes Meerwasser, klar Deck….und immer Bewegung.
Eure Wirklichkeit .
Hier gab es eine andere:
Farbiges Weinlaub mit Traubenresten, die nach der Lese noch zum Naschen locken.
Kamingespräche über Teilen und Lebensentwürfe im Feriendomizil unserer Chorleiterin, in Retz Weinviertel bei Wien.
Von Gott und der Welt verlassen, hatte sie um Geselligkeit gebeten und vier Adamsäpfel haben sich um sie gescharrt. Es gab viel Quatsch und Quatschen, auch wieder über Gott und die Welt. Die Götter sind also nicht nur Euch wohlgesonnen…
Darin steckt as Wort Sonne und Gesundheit.
Das wünsche ich Euch weiterhin und dem Rest der Welt.
Ahoi